Der Fußball entlockt dem Fan die verschiedensten Emotionen: Eine Meisterschaft kann ein persönliches Jahr voller Verluste und Niederlagen vergessen machen, ein Abstieg alles Positive auf der Welt überschatten. Daher ist es normal und auch gewollt, dass im Stadion die ganze Bandbreite der Emotionen durch das Rund schwappen kann. Aber auffällig ist hier in letzter Zeit auch wie dabei anscheinend immer öfter der Sinn für angemessenes Verhalten vor dem Stadion an der Eingangskontrolle abgelegt wird.
Nicht ganz neu ist, dass schlechte Leistungen der Männer auf dem Feld mit Pfiffen bedacht werden. Je nach Verein schwankt die Bereitschaft zu pfeifen und auch die Intensität der Pfiffe. Jedoch hat sich in den letzten Jahren besonders das Pfeifen gegen ehemalige Spieler des eigenen Vereins enorm gesteigert.
In manchen Fällen kann man den Fan verstehen. Sein Lieblingsspieler hat nach wochenlangen Liebesbekundungen an seinen Verein doch den Wechsel zum Erzrivalen bekannt gegeben. Oder der Spieler, der jahrelang von den Kollegen mehr schlecht als recht mitgezogen wurde wechselt nach einer guten Saison zu einem anderen Verein. Hier ist ein gewisser Unmut verständlich und man kann dem Fan kaum verübeln, dass er beim nächsten Wiedersehen etwas Nachtragend ist.
Anders liegt der Fall für mich jedoch bei normalen Vereinswechseln. Besonders missfallen haben mir hier zwei Situationen am 28. Spieltag. Beim Spiel von Mönchengladbach in Hannover wurde Mike Hanke mit Pfiffen bedacht, zur gleichen Zeit geschah dies auch mit Chinedu Obasi beim Spiel von Schalke in Hoffenheim.
Bei Mike Hanke war diese Reaktion der Fans besonders verwunderlich, da er in Hannover weggeschickt wurde und damals zu einem fast sicheren Absteiger wechselte. Woher hier also ein Groll gegen den Spieler stammen sollte ist nur schwer zu begreifen.
Aber die Gladbacher kann ich hier auch nicht unerwähnt lassen, die seit seinem Wechsel an die Weser jedes Jahr auf ein neues mit lautstarkem Pfeifen auf jeden Ballkontakt von Marko Marin reagieren. Dabei sollte man ihm dankbar sein, dass man dank seines Transfererlöses Geld in einen Marco Reus investieren konnte. Und auch im Fußball sollte es möglich sein einen etwas unsauber geführten Transfer irgendwann ruhen zu lassen.
Bei einer anderen Erscheinung sind Fans aus Berlin und Frankfurt die Vorreiter. Anstatt den Platz zu stürmen um mit ihren Fans eine erfolgreiche Saison zu feiern suchten sie den Weg auf den Platz um ihre Mannschaft über das Feld zu jagen. Solche Szenen wurden danach scharf verurteilt und sollten in dieser Form eigentlich nie wieder auftauchen. Jedoch ist es nur der schnellen Reaktion des Ordnungsdienstes und der Polizei zu verdanken, dass genau dies nicht in in Karlsruhe nach dem Abstieg des KSC in die dritte Liga erneut geschehen ist. Die aus dem Fanblock stürmenden Fans wurden sofort von ebenfalls heranstürmender Polizei zurückgedrängt. Damit blieben dem Publikum die schon bekannten Jagdszenen erspart.
Nun bleibt abzuwarten welche Reaktionen die Fans von Hertha BSC zeigen werden falls das Abstiegsgespenst sich im Rückspiel der Relegation Morgen nicht vertreiben lässt. Rauchbomben wie im Fall Köln wären wohl noch eine der harmloseren Möglichkeiten.
Die Kölner haben aber dafür in dieser Saison dem Verhalten ausserhalb des Stadions die Krone aufgesetzt. Die Mannschaft wurde nach Niederlagen verfolgt oder am nächsten Tag am Trainingsplatz zur Rede gestellt. Begleitende Polizeikräfte wurden zur Regel statt zur Ausnahme, ein Spaziergang der Mannschaft im Park mit einem Polizeiwagen im Schlepptau löste irgendwann nur noch ein Kopfschüteln aus. Aber am Ende der Saison sogar die Spieler nachts in ihrem zu Hause aufsuchen zu wollen um sie zur Rede zu stellen geht eindeutig zu weit, die Familien der Spieler auf diese Weise zu verstören ist unverantwortlich.
Der Vorstand beim 1. FC Köln ist inzwischen wieder besetzt und kann den sportlichen Abstieg nutzen um sich neu aufzustellen. Vielleicht sollte die Fanszene in Köln nach dem Ausschluss der Wilden Horde über Ähnliches nachdenken.
Der Fußball hat über die Jahre einige Entwicklungen zum Negativen erleben müssen, aber immer wieder die Kurve bekommen. Man kann also wohl darauf hoffen, dass die Fanszene genug Kraft hat um solche Auswüchse mit der Zeit wieder aus den Stadien verschwinden zu lassen.