Dienstag, 22. Juli 2014

Ein neues Trikot oder: Was man alles mit 74,95 Euro machen kann

Zum Start der Saison 2014/15 haben die Vereine ihre neuen Trikots im Angebot. Als treuer Fan denkt man über einen Kauf nach, doch der Preis macht die Entscheidung jedes Jahr schwieriger. Sollte man also das Geld in das Jersey stecken? Eine kleine Einordnung des Preises sollte dabei helfen.

Ich habe es noch gut getroffen. Meine Borussia aus Mönchengladbach spielt inzwischen wieder sehr erfolgreichen, attraktiven Fußball, so dass man nächste Saison auch wieder international seine Farben zeigen kann. Die Preise für Fanartikel liegen auch nach dem Aufschwung der letzten Jahre noch hinter anderen Vereinen wie Bayern München zurück. Trotzdem müsste ich 74,95 Euro investieren, um ein neues Trikot in Händen halten zu können. Mit Spielerflock landet man schon bei 87,94 Euro, aber darauf kann man sicherlich verzichten. Einige Fans sind fest entschlossen, sowieso kein Trikot zu kaufen, so lange der Postbank-Schriftzug die Brust der Fohlenelf ziert. Aber sind fast 75 Euro eine Summe, die der Rest der Fans bereitwillig ausgeben sollte?

Quelle: http://www.borussia-eshop.de/


Dazu zuerst ein ziemlich offensichtlicher Vergleich: Für die gleiche Summe kann ich fünf Heimspiele besuchen; zwei Spiele samt Getränk und Stadionwurst, wenn ich lieber sitzen statt stehen möchte. Das ist für sich genommen schon ein schlagkräftiges Argument mein Geld nicht in Stoff zu investieren. Hier aber noch ein paar andere Ideen, wofür diese Summe sonst noch eingesetzt werden könnte:

- Statt eine neue Saison könnte man mit einem Paar Verlobungsringen einen neuen Lebensabschnitt auf den Weg bringen

- Jedes Spiel der ersten und zweiten Bundesliga sechs Monate live verfolgen? Kein Problem! Auch die ersten sechs Monate des Sky-Abos sind locker bezahlt, wenn man auf das Jersey verzichtet

- Damit man bei der Auswärtsfahrt auch im Ausland jedes Stadion findet, ist der Kauf eines Navigationssystems für manchen sicher eine Überlegung wert

- Um nach den Spielen wieder zur Ruhe zu kommen könnte man auch beruhigt in diesen Schaukelstuhl investieren

- Falls man das Gegentor in der Nachspielzeit noch im Nacken spürt, lässt sich dies sicher mit einer einstündigen Massage wieder beheben

Wie man sieht, gibt es einige Alternativen, für die man das Geld ebenfalls ausgeben könnte. Einige davon sind mit Sicherheit sinnvoller als Andere, und dies soll auch nur ein kleiner Ausschnitt der Möglichkeiten sein.
Wenn man ehrlich ist, kann man die Entscheidung für den Kauf oft nicht rational begründen. Die Liebe zum Verein lässt sich nicht in Geld aufwiegen, und sie stolz zeigen zu können, lässt das Loch in der Geldbörse gleich etwas kleiner erscheinen. Deshalb wird wohl auch bei mir in den kommenden Monaten wieder die Geldbörse geöffnet und das neue Trikot übergestreift. Football, bloody hell!

Dienstag, 1. Juli 2014

15 Freunde sollen ausreichen!

Von Seppo

Es war eher eine Randbemerkung von Bundestrainer Jogi Löw im Interview mit Katrin Müller-Hohenstein nach dem gestrigen Spiel gegen Algerien: „Wir haben immer gesagt, gewisse taktische Flexibilität ist unsere Stärke auch. Wir haben 14, 15 Leute, die wir bringen können, und wir brauchen diese auch. Das hat man heute auch gesehen […].“ Nun ist es nicht so, als ginge von den beiden genannten Zahlen laut Wikipedia ein besonderer mathematischer Reiz aus, der alltägliche Relevanz hätte. Auch hielt bereits Sepp Herberger fest, dass man 11 Freunde sein müsse – und eben nicht 14 oder gar 15. Falls nicht ausreichend, greift zu guter Letzt das Argument, dass ohnehin nicht mehr als 3 Männer eingewechselt werden könnten. Insofern also Glückwunsch, Jogi, dass du „14, 15 Leute“ hast!

Trotz der bekannten Ausfälle und vorangegangener Verletzungen gilt der Kader der deutschen Fußball-Nationalmannschaft so konkurrenzfähig wie selten zuvor. Mit ganz wenigen Ausnahmen verfügen alle Teammitglieder über internationale Erfahrung in Champions-League und/oder WM bzw. EM, die überdies oftmals bereits von Erfolg gekrönt war. Sie wissen also, wie siegen geht auf höggschtem Niveau. Das klingt ob der suggerierten Qualität und Ausgeglichenheit des Kaders für diese WM sehr erfolgversprechend, zumal die bewährten Angstgegner aus Spanien oder Italien bereits freiwillig ihre Ambitionen abtraten. Dabei ist es freilich von Vorteil, den bewährten „14, 15 Leuten“ das Vertrauen zu schenken. Denn die kennen sich ja schon und wissen im Zweifel, wie der Mitspieler ein Tor zu bejubeln pflegt. Auch dafür Glückwunsch, Jogi! Doch was, wenn der Jubel wie gegen Algerien so lange auf sich warten lässt?

Zweifellos wurden bisher 16 der 20 nominierten Feldspieler eingesetzt. Das spricht durchaus dafür, dass Löw diejenigen, die berufen wurden, nicht nur mit Bedacht ausgewählt hat, sondern auch tatsächlich braucht. Allerdings heißt es gemäß seiner Aussage auch, dass Ginter, Großkreutz, Durm, Draxler und im Grunde auch Kramer (für Mustafi ist das Turnier nun ohnehin beendet) – da sie bisher nicht zum Zuge kamen und somit nicht zu den „14,15“ zählen – auch weiterhin keine Berücksichtigung finden werden. An Taktik und Personal wird jedenfalls nicht gerüttelt. Das mag ob der Trainingsleistung, des taktischen Verhaltens oder technischen Vermögens aus der Vorstellung der verantwortlichen Trainerschaft begründet sein. Doch damit zementiert er nicht nur seinen Starrsinn, sondern sendet zudem ein gänzlich falsches Signal, indem er sich und seinem Team auf diese Weise das designierte 5. Rad ganz offensichtlich selber anbringt. Dem Teamgeist ist es wenig dienlich, da er allen bisher Nicht-eingesetzten vor den Kopf stößt und zeugt auch sonst alles andere als von Feingefühl und Cleverness. Denn eine Motivation stellt das für Erik Durm, einen der wenigen (an-)gelernten Außenverteidiger, sicherlich nicht dar. Auch Kevin Großkreutz wird sich spätestens seit dem Interview Gedanken über seine Stellung machen, ohne darüber bei einem Döner sinnieren zu können.

Das Postulat „Jeder ist wichtig“ hat der Trainer somit jedenfalls selbst und in aller Öffentlichkeit ad absurdum geführt. Mit dieser Aussage hat er– wer immer sich noch zugehörig fühlt – nur eines erzielt: ein kapitales Eigentor für die Mannschaft, der er sich hat zusammenstellen dürfen und zu verantworten hat. Sicher hätte das Potpourri ohne die verletzten Spieler qualitativ noch etwas stärker sein können. Es rechtfertigt jedoch nicht, beim Kader 5 Spieler unter den Tisch fallen zu lassen. Diese Mannschaft besteht aus mehr als „14, 15 Leuten“ und besitzt ausgerechnet in Kevin Großkreutz einen Typ, der sich zweifelsohne von allen anderen fußballerisch wie menschlich unterscheidet. Nicht zuletzt genau jene Attribute könnten der Mannschaft einmal den entscheidenden Kick geben, wenn sie in Schönheit oder Lethargie zu ertrinken droht.

Auf diese Weise aber hat Löw unmissverständlich bekundet, dass das Vertrauen in das Leistungsvermögen einzelner nicht gegeben ist. Positiv formuliert wissen nun „14, 15 Leute“, dass sie dank der Unzugänglichkeit des Trainers ihre Spielanteile sicher haben. Hoffentlich noch für 3 Spiele… In diesem Sinne aber viel Spaß im Urlaub den genannten und sprichwörtlichen Ergänzungsspielern! Denn zu nichts anderem als denen sind sie (spätestens) gestern Abend degradiert worden.

Montag, 17. September 2012

Eintracht Bamberg - FC Bayern Amateure (12. Spieltag Regionalliga Bayern, 14.09.2012)

Das "Konzept" (öhm...) von Bertis Erben beinhaltet nicht nur über aktuelles Bundesligageschehen zu schreiben, sondern wir wollen vor allem auch vom Spaß berichten, den wir selbst bei diversen Spielen haben. Diesmal hat es sogar einen Großteil unserer Schreiberlinge in das Fuchs-Park-Stadion in Bamberg verschlagen, also quasi direkt vor die Haustür...

Die Amateure des FC Bayern waren zu Gast bei der Eintracht aus Bamberg. Und Mehmet Scholls Team wollte sich den Frust der letzten Niederlage gegen den VfL Frohnlach von der Seele schießen. Die Bamberger (Platz 18.), die zwar gut in die Saison gestartet sind, jedoch relativ schnell auch wieder einbrachen und nun schon den erwarteten Kampf gegen den Abstieg führen, erhofften sich trotzdem die ein oder andere gute Möglichkeit um den großen Gegner aus der bayerischen Landeshauptstadt in diesem Regionalliga-Duell zu ärgern. Wir vom Bertis Erben-Team nutzten diese Gelegenheit auch dazu, um relativ zeitig den Spaß anzugehen. Um 15 Uhr trafen wir uns in der Sportsbar Lewinsky's, um die ersten Pils zu genießen. Schnell gesellten sich andere rote und violette Fans hinzu und die Stimmung wurde rasch ausgelassen. Für manche in der Runde eindeutig zu ausgelassen - zumal der Anstoß eh erst um 19.30 Uhr angesetzt war.

Einfahrt des Bayernbusses aus Sicht Biergarten Volkspark

Wir machten uns dann gegen kurz vor 18 Uhr auf zum Stadion, wo schon einiges los war. Nachdem es im Vorfeld Meldungen gab, dass es doch ein beträchtliches Aufgebot an Bayern-Fans nach Bamberg verschlägt, machten wir uns rasch auf zum Ticketverkauf für den Gästeblock, wo es jedoch ohne Probleme noch Karten gab. Mit unseren Bambergern (und anders gearteten Fans) trafen wir uns im Volkspark-Biergarten wieder und vollzogen weiterhin das, was wir so konsequent um 15 Uhr begannen. Die gute Stimmung fesselte uns dann so sehr an die Bierbänke, dass wir erst kurz vor Anpfiff Richtung Gästeblock marschierten und uns somit einer langen Schlange gegenübersahen, die das gleiche Ziel hatte. Nichtsdestotrotz sollten wir noch rechtzeitig in den Block kommen.


Das Spiel selbst wurde klar bestimmt durch die Scholl-Truppe. Von Anfang an sollten keine Zweifel aufkommen, wer hier der Favorit ist. Zwingend jedoch war keine der Aktionen der Roten. Lediglich Patrick Weihrauch hatte eine wirklich herausragende Chance, die Oliver Scheufens mit etwas Glück vereiteln konnte. Die Eintracht konnte nur durch ein paar Konter den Kasten von Bayern-Torhüter Zingerle ernsthaft in Gefahr bringen, der jedoch herausragend parierte. Die Bayern legten ein beeindruckend hohes Tempo vor, aber irgendwie fehlte anscheinend noch bei dem einen und anderen die Passsicherheit. Und so konnten eigentlich gute Spielzüge letztendlich nicht zum Abschluss gebracht werden.

In der zweiten Halbzeit wurde das Spiel ausgeglichener, ließ aber auch weiterhin die zwingenden Chancen vermissen. Erstaunlich war aber zu sehen, wie gut die Bamberger doch den ominösen Abgang von Peter Heyer verkraften. Man hätte ja gerade nach dieser Meldung gedacht, dass das Team Petr Škarabela auseinanderbricht, aber offenbar sind wohl nicht alle so traurig über den Abgang und das Team ist noch homogener geworden.
Das Spiel war nicht schlecht, aber auch nicht wirklich spannend oder gut anzuschauen. Dafür gab es im Gästeblock die ein oder andere Pyro-Einlage, die dafür sorgte, dass die Polizei vermutlich zwei Lehrfilme á 90 Minuten mit diesem Material füllen könnte. Was die dort gefilmt haben, war ja unfassbar.


Erwähnen muss man unbedingt noch, dass das Fuchs-Park-Stadion mit 4.852 Zuschauern außerordentlich gut gefüllt war - und das für ein Regionalliga-Spiel. Respekt. War eine schöne Kulisse und zumindest im Gästeblock war eine gute Stimmung. Dass das Spiel am Ende, trotz der Beteiligung der neuen Münchner Bundesligaakteure Emre Can und Mitchell Weiser, 0:0 ausging, war etwas schade, aber Spaß hatten wir allemal.


Montagskolumne: Tim Wiese spielt Champions League, auf PS3…..

Nicht, dass die vergangene Woche langweilig gewesen wäre. Schließlich hatte die Nationalmannschaft endlich mal wieder ein Duell mit einem Gegner auf Augenhöhe, Uli Hoeneß stellte die geographischen Verhältnisse auf seiner neuen alten Fußballweltkarte vor und Kalle Rummenigge verwies auf die möglichen Folgen einer Expertentätigkeit. Aber nun endlich wieder Ligaalltag!

Auch wenn sich die Tabelle nach 3 Spieltagen noch nicht vollends sortiert hat, zeigen sich bereits einige Tendenzen. Quo vadis? Erfreulich ist die Entwicklung in Hannover, die Trainer Slomka von langer Hand plante und mit dem erfolgreichen Comeback von Leon Andreasen (oder für Rolf Töpperwien ‚Leon Andrööösen‘) eine besonders schöne Geschichte ist, die der Fußball schreibt. Ebenso erfrischend präsentieren sich die Nürnberger um ihren auf Standards spezialisierten Franken-Kagawa. Original fränkisch ausgesprochen schickt sich ‚Giotagge‘ an, die nächste japanische Bereicherung zu werden. Dortmunds Trainer Klopp stellte unter der Woche heraus, dass die Saision erst jetzt richtig losginge. Bayern und der BVB lösten ihre Aufgabe dementsprechend souverän. Martinez‘ erste direkte Torbeteiligung tröstete über den Ausfall von Robbery hinweg und auch die Dortmunder Verteidiger Hummels und Schmelzer haben ihr Lachen wiedergefunden - Leverkusen ist eben nicht Österreich! Bleibt zu hoffen, dass beide Teams die Leistung auch in der Champions League zeigen können und insbesondere die Dortmunder nicht schon wieder die Hosen voll haben, nur weil sie zu einem Auswärtsspiel fliegen müssen. So viel zu den positiven Erscheinungen!

Dass sich das Frankfurter Überraschungsteam dazu entschloss, den kleinen Hamburger Engel bei seiner Rückkehr gleich mit einer Niederlage zu begrüßen, grenzt schon fast an Majestätsbeleidigung. Es bleibt spannend, welchen seiner slavischen Kopfgeldjäger Herr Arnesen nun aus dem Hut zaubert, um sich zu rächen. Immerhin gibt der Verein ein einheitliches Bild ab, wenn es um die fehlende Struktur im Management, Vorstand, Trainerstab, Kader und sonstigen vermeintlichen Wohltätern geht. Und mal ehrlich: So ein Derby gegen St. Pauli in der 2. Liga wäre doch auch was… Die durchschnittliche Lebenserwartung der Reeperbahnbewohner soll übrigens auch 50 Jahre betragen – Zufall im Jubiläumsjahr der Bundesliga??? Fakt ist, dass es auch mit van der Vaart sehr schwer wird, sofern nicht endlich Ruhe im Verein einkehrt und sich jeder ausschließlich auf seine Arbeit konzentriert. Bisher ist der HSV leider das Gegenstück zu der Arbeit, die aus Hannover oder Nürnberg anzuerkennen sind.

Natürlich geben auch wir unseren Senf zum Aufreger des Spieltags ab: Der Platzverweis des hannoverschen Matchwinners Szabolcs Huszti, der seinen Emotionen nach dem Siegtreffer freien Lauf ließ. Über die Sinnhaftigkeit der gelbe Karte für’s Trikotausziehen, das Zaunbesteigen und vor allem die Doppelbestrafung darf sicher an anderer Stelle gestritten werden. Doch dabei muss man aufpassen, was Gegenstand der Diskussion ist. Sogar Schiedsrichter Aytekin tat es um Huszti leid – und damit tut mir der Schiri leid. Natürlich musste er den Platzverweis geben. Es hat für mich nichts mit mangelndem Fingerspitzengefühl zu tun, sondern es war schlicht regelkonform. Anderenfalls wäre der Schiri der Dumme gewesen… Auch hier gilt, dass die Unwissenheit ob der drohenden Doppelbestrafung, die der Ungar nach dem Spiel sogar zugab, nicht vor Strafe schützt. Selbst wenn er es gewusst hätte, weiß ich nicht, ob er im Eifer des Gefechts nicht genau so gehandelt hätte. Sei’s drum, es ist auch müßig: Es wird allen eine Lehre sein und Tim Wiese freuen. Der hat nächste Woche vom Ungar nämlich nichts zu befürchten und kann sich voll und ganz der Champions League auf seinem Fernseher widmen. Erst auf ZDF und in HD, später noch eine Runde auf der Konsole (vielleicht spielt Mo Idrissou mit). Dass er sich seinen Hoffenheimaufenthalt sowie seine eigene Leistung erfolgreicher vorgestellt hat, steht außer Frage. Und Bremen hätte er wohl eh verlassen müssen. Aber seine Aussage, bei einem international ambitionierten Team anheuern zu wollen, birgt einiges an Ironie – und genau daran wird sich der Kraichgauer Winnetou nun messen lassen müssen. Selbst der Berliner AK war eine Nummer zu groß und wie sich nun herausstellt, war es damals kein Betriebsunfall bei nun schon 15 Gegentore in vier Pflichtspielen. Viel Arbeit kommt auf die Hoffenheimer zu und Wiese muss seinen eigenen Ansprüchen gerecht werden. Von seinem optischen Vorbild des Häuptlings der Apachen kann er sich sicher etwas abschauen…

Lieber Tim, wir von Bertis Erben wünschen Dir und den deutschen Mannschaften in Champions- und Euro League viel Erfolg. Alles weitere wird sich zeigen, die nächste Woche verspricht wieder mal spannend zu werden! Freuen wir uns auf Andrööösen, Kiyotake, die Champions League und Karl May

(SeSa)

Montag, 3. September 2012

Von Championsleague Träumen, dem großen Geld und sonstigen Fehlgriffen

Wir haben den ersten Spieltag mal schön links liegen lassen, da unser ganzes Autorenteam in Arbeit versank. Nun aber geht es wieder los mit der Montagskolumne. Und der Ilan war der erste, der sich ein Herz gefasst hat:



Es scheint eine der attraktivsten Bundesliga Saisons der Geschichte zu werden.
Dies liegt allerdings nicht nur an den super schnellen Spielen die man auch dieses Wochenende wieder sehen durfte, sondern auch an persönlichen und von Vereinen definierten Zielen.

1899 Hoffenheim hat es geschafft konstante Leistung zu bringen und spielt gegen Frankfurt zuhause 0:4. Ein Tim Wiese der ankündigte wieder International spielen zu wollen, hätte wahrscheinlich besser einen Vertrag beim Berliner Athletik Klub 07 unterschreiben. Die Wahrscheinlichkeit seine Ziele zu erreichen erscheint mir bei solchen Leistungen dort höher als bei der TSG. Das große Geld, welches in Hoffenheim Jahr für Jahr ausgegeben wird scheint keinen Erfolg zu bringen. Aber sind sie damit alleine?
Nein natürlich nicht. Wenn man sich den VfL Wolfsburg anguckt, sieht man auch hier eine Verschwendung finanzieller Mittel die seines Gleichen sucht. Die Dominanz die 96 ausstrahlte schien Wolfsburg dermaßen verunsichert zu haben, sodass 96 60 Minuten Spitzenfußball reichte um 4:0 zu führen. Was danach kam kann nur noch als Deklassierung bezeichnet werden. Es war pure Nachbarfreundschaft, dass 96 Wolfsburg nicht noch vier weitere eingeschenkte. Die gute Leistung vom Stuttgartspiel schien eine Ausnahme zu sein. Und die besseren Bedingungen in Wolfsburg, die Pogatetz anführte um seinen Wechsel zu begründen, scheint auch nur eine Form des Schönredens zu sein, um zu einem so herzlosen Verein zu gehen. Das internationale Geschäft?! Mehr als unwahrscheinlich.
Was macht der Meister aus Dortmund mit seinen Millionentransfers?
Eine Leistung bringen, die man so nicht von ihnen gewohnt ist. Eine sehr wackelige Abwehr und ein Mario Götze auf der Bank. Dieser kommt erst in der zweiten Halbzeit! Die ersten zwei Spieltage sind eine Art Beruhigungspille für alle Bayernfans, weil sie gezeigt haben, dass der BVB nicht immer so weiterspielen kann. Es bleibt zu beobachten, inwieweit Reus und Götze Kagawa ersetzen können.. Das Resultat ist ein 1:1 gegen Nürnberg.
Das hilft wem? Natürlich dem FCB . Dieser ist wohl der einzige Verein, der offen sagt, dass er Meister werden will. Dass das Erfolg haben wird liegt an zwei Gründen. Es ist der Verein der weltweit am Besten wirtschaftet. Zweiten ist es dort Gewohnheit diese Ansprüche zu stellen. Solange 40 Mio. Transfers keine Gewohnheit werden, wird die Bayernfamilie auch weiter ihre Kultur leben.
Und genau das ist der springende Punkt, daran mangelt es einfach in Wolfsburg und Hoffenheim. Bei Leverkusen reicht es deswegen nicht zum großen Erfolg und bei Hamburg wird man sehen, ob eine schlechte Vereinsführung den Charakter eines Dinosauriers zerstören kann. Dass es ohne Geld gehen kann beweisen Vereine wie Hannover, Frankfurt, Nürnberg, Bremen etc.

Ich bin gespannt, zu welchen Ergebnissen selbsternannte CL Aspiranten kommen werden. Ob sich die größere Leidenschaft auch über 34 Spieltage lohnen wird, wird man sehen. Dass diese einen großen Teil des Erfolges ausmacht hat man ja schon im Pokal gesehen.
Gute Erholung in der Länderspielpause!

(IS)

Sonntag, 19. August 2012

DFB-Pokal, 1. Runde: DSC Arminia Bielefeld - SC Paderborn

Der DFB-Pokal ging dieses Wochenende in seine erste Runde. Mit dabei war auch der DSC Arminia Bielefeld, der mit dem SC Paderborn direkt einen Zweitligisten und Lokalrivalen vor der Brust hatte. Diese Paarung war meine erste Erfahrung die ich mit dem DSC gemacht habe und hatte alles, was ein spannender Fußball-Sonntag brauchte.

Zusammen mit zwei Arbeitskollegen machte ich mich auf den Weg zum Stadion. Ich wusste nicht genau was mich erwarten würde, besonders nachdem ich ja nun nach der letzten Saison zum Erfolgsfan geworden war. Meine Gladbacher Borussen hatten mich mit ihrem Fußball völlig verwöhnt, ich hatte etwas Angst dem "ehrlichen" Fußball eines Drittligisten nicht mehr viel abgewinnen zu können. Die Fahrt mit der Stadtbahn hat die Stimmung nicht unbedingt gehoben, denn auch hier machten sich die über 30°C, die das ganze Wochenende herrschten, sofort bemerkbar. Im Gedränge der überfüllten Bahn stand ich zwischen zwei anderen Fans, die den Schweiß in ihren T-Shirts großzügig bei vollem Körperkontakt mit mir teilten. Der Weg vom Stadtbahn-Bahnhof zum Stadion war dagegen wirklich schön, die Wege waren breit und die Kulisse der umgebenden Häuser hob sich angenehm von der Tristesse der in anderen Städten am Stadtrand neu gebauten Arenen ab. Der Ostwestfale an sich ging ruhig und gesittet zum Stadion und behielt auch am Getränkestand seine stoische Ruhe. Auch als ich mit meinen Kollegen einmal quer durch die Stehtribüne schob sorgte das nicht einmal für unbeteiligtes Schulterzucken.


Aber nun zum Spiel: Die Partie begann ohne all zu langes Abtasten, der SC Paderborn nahm sofort seine Favoritenrolle an und versuchte das Spiel zu machen. Der DSC stand allerdings defensiv sehr kompakt und schaffte es zwingende Chancen der Paderborner gar nicht erst entstehen zu lassen. Stattdessen gelangen mehrere schnelle Konter, durch die die Arminen in der ersten Halbzeit eindeutig die besseren Chancen hatten. So banale Dinge wie ein Spielaufbau wurden dabei links liegen gelassen. Meist war das Schema: Ball nach vorne, ein paar Meter laufen, ein freier Mitspieler am anderen Flügel, Seitenwechsel, auf zur Grundlinie, Flanke. Jedoch konnte man daraus kein Kapital schlagen, in der 22. Minute verhinderten zum Beispiel der Torwart und die Latte in enger Zusammenarbeit die Führung für die Blauen. Die einzig nennenswerte Szene der Paderborner in dieser Zeit war ein Zweikampf im Bielefelder Strafraum, bei dem sich die Arminen nicht über einen Elfmeter hätten beschweren können. Der Schiedsrichter ließ jedoch weiterspielen, so dass es nur bei einer kleinen Schrecksekunde blieb.
Wie schon am Tag zuvor beim Spiel von Allemannia Aachen gegen Borussia Mönchengladbach wurde auch hier das Spiel in der Mitte der ersten Halbzeit unterbrochen, um den Spielern eine Trinkpause zu gönnen. Diese Gelegenheit wurde auch dankbar angenommen und beide Trainer versuchten noch durch aufmunternde Worte und taktische Anweisungen noch etwas mehr aus dieser Pause herauszuholen. Der Capo nahm sich ein Beispiel und nutzte die Zeit ebenfalls, um seine Leute anzufeuern, er sorgte generell stets für genug Anfeuerung.
Als das Spiel weiterging rächte sich die schlechte Chancenverwertung des DSC noch in der 1. Halbzeit, als Meha in der 36. Minute mit der ersten richtigen Chance die Führung für den SC Paderborn erzielen konnte. Hier musste sich die Bielefelder Hintermannschaft an die eigene Nase fassen, der Torschütze wurde nicht attackiert, ganz allgemein ließ man die Paderborner bei diesem Angriff einfach zu lange gewähren. An diesem Punkt hatte ich mich schon voll auf das Spiel eingelassen, sang, schimpfte und gestikulierte als hätte ich nie etwas Anderes gemacht.
Das Gegentor sorgte kurz für Ruhe auf der Südtribüne, die aber schnell wieder von Fangesängen durchbrochen wurde. Die gute Vorstellung der Arminia bisher ließ ja schließlich noch hoffen.

Bis zur Pause konnte am Spielstand leider nichts mehr verändert werden, der DSC ging mit einem Rückstand in die Kabine. Nachdem schon während der 1. Halbzeit die Gästefans Abkühlung durch einen Feuerwehrschlauch bekommen hatte, kamen nun auch die Heimfans in diesen Genuss. Voraussetzung war allerdings, dass man sich auf dem unteren Teil der Tribüne befand, bis zu meinem Platz hat der Wasserstrahl nicht gereicht. Dafür waren andere Fans so nett ihr frisch gekauftes Wasser aus ihren Bechern über den anderen Zuschauern zu verteilen.
Die Ergebnisse aus den anderen Stadien sorgten vor Wiederanpfiff nochmal für gute Stimmung, auch weil zu diesem Zeitpunkt Münster noch gegen Bremen mit 1:2 in Rückstand lag.

Auch in der zweiten Halbzeit steckten die Bielefelder nie auf, auch wenn direkt nach Wiederbeginn die Paderborner beinahe auf 0:2 erhöht hätten. Das über die Linie gestocherte 1:1 sorgte für riesigen Jubel auf der Tribüne, danach waren die Gesänge direkt noch eine Stufe lauter und das ganze Stadion wieder wach. In diesem Moment habe ich die Ostwestfalen seit meinem Umzug nach Bielefeld zum ersten Mal richtig ausgelassen erlebt. Die Stimmung wurde aber noch einmal getoppt, als sich in der 86. Minute schon alle auf eine Verlängerung eingestellt hatten und das 2:1 für Bielefeld fiel. Die Stimmung danach war absolut Bundesligatauglich, alle Fans versuchten dieses Ergebnis über die Zeit zu singen. Das war letztendlich aber nicht einmal nötig, da bei einem Bielefelder Entlastungsangriff nach einem der jetzt schon recht wütenden Paderborner Angriffe ein Foul im Strafraum geschah und Bielefeld völlig zu Recht einen Elfmeter zugesprochen bekam. Das war der Moment in dem allen klar wurde, dass dem DSC selbst bei einem verschossenen Elfmeter dieser Sieg nicht mehr zu nehmen sein würde. Der Elfmeter wurde verwandelt und das 3:1 war schließlich auch der Endstand.

Wie ich später von meinem Mitbewohner erfahren habe, konnte man das lautstark skandierte "Auf Wiedersehen!" der Bielefelder Fans auch im zwei Kilometer entfernten Nordpark noch hören.

Heute haben die Blauen also die Chance genutzt um den Paderbornern zu zeigen, dass das letzte Wort im Kampf um die Spitzenstellung in der Region noch nicht gesprochen ist. In Sachen Stimmung und Kampfgeist haben mir die Bielefelder sehr gut gefallen, ich werde auf jeden Fall noch das eine oder andere Spiel besuchen um zu prüfen, ob man auch im grauen Liga-Alltag so eine tolle Atmosphäre erleben darf. Und ab jetzt verstehe ich auch etwas besser, was in den Menschen vorgeht, die mir an manchen Tagen in der Bahn über den Weg laufen und gerade zu Spielen wie gegen den SV Darmstadt 98 fahren.

Fußball funktioniert einfach. Auch in der 3. Liga.

Dienstag, 10. Juli 2012

Sacken lassen. Oder: Falsche Worte zur falschen Zeit

[Und schon wieder kein Beitrag von uns selbst, dafür einer von unserem Freund und Mitleser Hörnla - vielen Dank dafür]


Eine Antwort auf Arnd Zeigler und andere Betrachtungen die EM und andere Dinge betreffend

Von Hörnla


Sacken lassen. Einfach sacken lassen. Eine Woche lang, eine kleine kurze Woche lang nichts kommentieren, an andere Dinge denken, der Sedimentation ihren Lauf lassen und schauen, was bleibt, wenn das Trübe gewichen ist und sich die Dinge gesetzt haben. Man geht damit durchaus ein Risiko ein heutzutage. Die EM, wann war die nochmal? Irgendein Ereignis der Prähistorie wohl. Kein Titel, nichts Bleibendes. Jetzt gilt es doch schon längst, die Bundesligatransfers zu verfolgen, Sammer hin und Kloppo her, hochspannende Berichte aus den Trainingslagern, der „kicker“ zeigt joggende Spieler vor sommerlicher Alpenkulisse (Wow, so geht also Vorbereitung? Unglaublich!), Rangliste hier und Testspiel da. Die EM? Lang lang ist’s her.

„Gegen Morgen in der grauen Frühe pissen die Tannen/Und ihr Ungeziefer, die Vögel fängt an zu schrein“, dichtete Bertolt Brecht dereinst in „Vom armen B.B.“. „To twitter“ heißt gemeinhin ja Zwitschern oder Schnattern und diese Übersetzung gibt in meinen Augen recht präzise wieder, welch gewaltiger Informationsgehalt in dieser extremen und auch in weniger extremen modernen Echtzeit- und Fastechtzeit-Kommunikationskanälen verbreitet wird. Keine Angst, das wird keine übliche Medienschelte, auch wenn das arg „Old School“ daherkommt. Ich drücke hier allerdings schon und lediglich meine Verwunderung darob aus, in welcher Geschwindigkeit jeglicher geistige Dünnpfiff heute abgeschissen werden kann. Das beeindruckt ab und an doch, auch wenn man als Profi natürlich weiß, dass in Zeiten des extremen Zeitdrucks natürlich die Texte für alle wesentlichen Ausgänge zum Beispiel eines Fußballspiels bereits vorher fix und fertig in der Schublade liegen. Aber auch wenn sich die daran Beteiligten immer so furchtbar innovativ und furchtbar wichtig vorkommen: dass zwischen „Hosianna“ und „Kreuziget ihn“ kein weiter Weg ist, das wissen die der abendländischen Tradition Bewussten schon seit gut 2000 Jahren. Was man leider vergessen zu haben scheint, was aber, wenn ich recht orientiert bin, bereits die alten Griechen wussten: wenn es etwas werden soll mit dem Nachdenken, mit dem Sich-eine-Meinung-bilden in der Diskussion, dann braucht man dazu Muße und dazu braucht man wiederum Zeit. So, genug der Vorrede. Kommen wir zu den Griechen in der Europameisterschaft (man beachte die meisterliche Überleitung).

Es gibt gewisse Topoi, die immer wieder und immer wieder gerne aufgerufen werden, wenn man vom Rathaus kommt, mithin schlauer ist. Zum Beispiel, dass die Griechen der leichteste Gegner waren, den die deutsche Mannschaft erwischen konnte. Ähnliches dürften sich bereits die Polen gedacht haben oder die Russen, die aber, oho oho, dann von den Griechen in der Vorrunde ausgeschaltet wurden. In meinen Augen mangelt es da an Respekt. Respekt, den eine niederländische Mannschaft, um nur ein Beispiel zu nennen – da sind ja so viele Stars dabei – immer a priori zugebilligt bekommt und den sie auch nicht verliert, wenn man mit 0 (in Worten: null!) Punkten auf dem Konto nach der Vorrunde nach Hause fährt. Griechenland kann dagegen wohl noch zehn Mal die EM gewinnen, das ist ein schwacher Gegner. Punktum.

Ein schnell gefälltes und im Wesentlichen unwidersprochen gebliebenes Blitzurteil folgte der EM auf dem Fuß: nichts Neues unter der Sonne, nichts Neues taktisch, usw. usf. Abhaken. Das finde ich, in Bezug auf das Spiel, nun ganz und gar nicht oder zumindest in dieser Pauschalisierung unrichtig und habe das andernorts auch bereits zu analysieren versucht (http://www.clubfans-united.de/2012/06/22/die-philosophie-der-berechenbarkeit/) Außerdem: da gab es doch ganz erhebliche Neuerungen. So zum Beispiel die Tatsache, dass die Verantwortlichen bei der Bildregie der so genannten Live-Übertragungen offenbar unter Rückgriff auf Muster aus Tragödie und Mythos Märchenspiele inszenieren anstatt live zu übertragen. Wir alle wissen, dass spätestens seit Photoshop und Konsorten verbunden mit der Auflösung des Originals in der digitalen Photographie dem Bild keinerlei dokumentierender Wert mehr zukommt. Alles schön und gut – aber im Hinterkopf hatte und hat man doch irgendwie noch, dass, trotz all der Kameras und Schnitte und Bildregie und so weiter, dass die Fernsehberichterstattung einem doch irgendwie ein im wesentlichen „wahres“ (Wahrheit – ogottogott, aber man weiß hoffentlich, wie’s gemeint ist) Bild der Geschehnisse vermittelt. Na gut, eigentlich könnte man wissen, dass das mit dem „live“ so eine Sache ist, immerhin könnte bei zu viel „live“ ja wieder mal ein Nippel einem Bustier entkommen, so (natürlich völlig ungewollt und ungeplant) geschehen, bei einer Oskar-Verleihung (in Bezug auf die beteiligten Personen und näheren Umstände hat die gütige Lethe bereits an mir ihr Werk getan). Auch wenn wir beim Herrenfußball sind – dem Zufall des Spiels dasselbe überlassen? Gott bewahre – womöglich überreißen Legionen von Faschingsfans dann zu oft, dass Fußballspiele auch und gar nicht mal so selten stinkend langweilig sein können. Nein, wo rasante Schnitte nicht mehr ausreichen, um einem anämischen Gegurke Leben und Rasanz und angebliche Athletik einzuhauchen, da kann man es ja mit Einsprengseln versuchen dergestalt, dass ein Bundestrainer während des Spiels offenbar locker genug ist, einem Balljungen das Bällchen schalkhaft zu entwenden oder dass zur Halbzeit eine deutsche Fanin bereits durch ihre Tränen zeigt, dass sie dabei ist, alle Hoffnung fahren zu lassen. In der „SZ“ stand ein Interview zu lesen mit irgendeinem Medienprofi, der bereits führend an der medialen Aufbereitung mehrerer hochkarätiger Sportereignisse beteiligt war und dieser Herr zeigte völliges Unverständnis dafür, dass man Unbehagen empfinden, ja dass man sich verwundert zeigen könnte angesichts einer Live-Berichterstattung, die gar nicht mal so „live“ ist. Die gesendeten Geschehnisse seien doch passiert und es sei doch Sache des künstlerisch Verantwortlichen sie zu senden, wenn es denn passe. Basta. Aha. Damit befindet sich der gute Mann medientechnisch sicherlich im 21. Jahrhundert, semiotisch, in Bezug auf den Stand des Nachdenkens über die Zeichen und ihre Bedeutung aber irgendwie zur Zeit der Völkerwanderung. Kurz gesagt: nicht technisch aber theoretisch ließe einen derartigen Gimpel jeder Akteur von Ecos Rosenroman locker aussteigen. Über 1500 Jahre abendländische Geistesgeschichte, um dann bei sowas anzukommen. Grauslich! Das wäre mal ein Kritikpunkt, an dem anzusetzen sich lohnte. Aber dann müsste man vielleicht auch darüber nachdenken, warum die Politiker ihre wegweisenden und wichtigen und potentiell unbeliebt machenden Entscheidungen gerne während solcher Großereignisse wie WM oder EM auf den Weg bringen. Die inszenierte sportliche Mär, sich hemmungslos an den Erzählmodellen von Tragödie bis Mythos bedienend, muss perfekt sein – dann ist einem der Rest scheißegal. Aber auch das wussten bekanntlich bereits die alten Römer.

Die meisten, die bei einem Großereignis wie der EM die Spiele („der Deutschen“ natürlich) verfolgen, wissen nichts. Nichts vom Fußball, nichts von der Schönheit des Spiels, nichts von der oft genug enervierenden Langweiligkeit desselben Spiels. Was aber alle wissen: Titel sind gut. Titel müssen her, so äußert sich die sportliche Leitung vorher, Titel sind toll, wir sind reif für Titel. Das schöne Spiel? Wer erinnert sich noch an die üblen Auftritte der deutschen Nationalmannschaft unter Trainerdarstellern wie Ribbeck und Völler, wem sind diese bleiernen Zeiten noch im Gedächtnis, wer kann noch Dank empfinden, dass das spätestens seit den Zeiten von Klinsmann und Löw in der Regel nicht mehr gilt? Mit den paar, die sich daran erinnern – und hier beginnt meine Kritik an der Kritik von Arnd Zeigler – kann man keinen Staat machen. Mit den paar, die sich dann auch fanden zum Finale-Gucken, als die Mehrheit die EM längst abgehakt hatte, als Fehlschlag, als Ärgernis, als einzige Enttäuschung, mit den paar, die – ein wenig Gerechtigkeit gibt es dann doch noch auf dieser Welt – in den Genuss eines der besten Spiele des Turniers kamen, mit den paar kann man den Fußballzirkus, den wir alle inzwischen gewohnt sind, nicht finanzieren. Um es noch klarer zu sagen: die von Zeigler angeprangerte Respektlosigkeit des Sportgroßinquisitors „BILD“, um nur ein wüstes Beispiel zu nennen, ist nichts anderes als die andere Seite der Medaille, die eine derartige Aufmotzung eines Fußballturniers erst möglich gemacht hat. Die eine ist aber ohne die andere Seite nicht zu haben.

Es ist etwas, an das wir in unserer selbstverantwortungslosen, klagelüsternen Kuschelwelt ungern erinnert werden, aber es ist trotzdem wahr: alle Dinge haben ihren Preis. Man muss für alles bezahlen. Wer 27000 Kameras ist Stadion will, 20 Schiedsrichter und künftig auch noch GoalRef und HawkEye, wer Stars will und Begeisterung und Hype und Autokorsos und nochmal Begeisterung und immer wieder wiederholbare Sommermärchen, wer all das finanzieren will, der kann das nicht nur mit Leuten tun, die sich über Raute oder Nicht-Raute den Kopf zerbrechen und durchaus schon mal ein Spiel am heimischen Fernseher ansehen und die den TV auch nicht zwei Stunden vor Anpfiff einschalten und erst drei Stunden danach ausmachen. Wer will, dass all die Verbände, Spieler, Trainer, Unterstützungsteams, Medienanstalten, Werbeagenturen, Sportartikelhersteller, Gastronomen, Brauereien bis hin zu den Servicekräften in den Kneipen ihr Geld verdienen, der braucht nicht das Spiel, der braucht den Event. Der muss Leute, die sich nicht die Bohne für Fußball interessieren, dazu bringen, sich ein Trikot zu kaufen, sich anzumalen, als wäre schon Fasching, sich stundenlang in der glühenden Sonne beim Public Viewing mit überteuerten Getränken besinnungslos zu saufen. Dann kann man solche Turniere, dann kann man solche Gehälter finanzieren, dann kann man solche (Un-)Summen bewegen. Wer also jetzt im Nachhinein A sagt, sprich: böse böse „BILD“, die in seltener Häme und Respektlosigkeit unsere Nationalspieler abledert, der muss auch B sagen und vorher (!!!), ja weit vorher die Stimme erheben, wenn wochenlang gelobhudelt wird, wenn jeder Pups aus dem Nationalmannschaftshauptquartier berichtenswert erscheint, wenn plötzlich wichtig ist, dass der Schweini nicht mehr Schweini sein will und dass der Özil die Merkel, die in Bezug auf Anbiederung ja keinerlei Schamgrenze kennt, cool findet und dass den Gomez grad was zwickt und was der Philipp grad so denkt. Wer kritisiert, dass nun gehöhnt wird, Lahm spreche wie ein Politiker, der erhebe bitteschön seine Stimme auch, wenn wochenlang jedes ebenso politikereske Statement sendens- und schreibenswert erscheint, wenn wochenlang Nullnachrichten stundenlang ausgewalzt werden und wenn alle Kanäle des Äthers mit diesen Absonderungen von Menschen, die zuletzt tatsächlich an ihre eigene Bedeutung glauben, vollgemüllt werden. Wer das eine verdammt, sollte zum anderen auch nicht schweigen. Oder, was wahrscheinlich das Klügste wäre: beides ignorieren. Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter. In zwei Jahren bei der WM werden wir eine weitere Steigerung des Hypes erleben. So ist das halt.